WARUM UNTERNEHMEN JETZT EINEN BEIRAT HABEN SOLLTEN

1/22/2020

von Hans Michael Schmidt-Dencker, Vorstandsmitglied Beirat-BW e.V., Rechtsanwalt und Unternehmerberater, Stuttgart

In der Krise zeigt sich die wahre Stärke oder auch Schwäche eines Unternehmens und seines Managements. Mit der Corona-Pandemie kommt es zu einer Krisensituation, die alle bisherigen Szenarien weit in den Schatten stellt. Dazu tragen auch die großzügigen, als Unterstützung und zur Insolvenzvermeidung gedachten Finanzhilfen bei; ebenso die weiteren Rahmenbedingungen, wie Steuererleichterungen, Kurzarbeitergeld, die (vorübergehende) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung (bis 31.01.2021) und eine tiefgreifende Änderung des Insolvenzrechts, durch das zum 01.01.2021 in Kraft getretene SanInsFog, das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz.

All diese zum Teil überhastet, mit heißer Nadel gestrickten, in Eilverfahren umgesetzten und als Überbrückung für die von den Corona-Einschränkungen betroffenen Unternehmen gedachten, vermeintlich entlastenden Maßnahmen, werden jedoch eher zu einer Eskalation von Negativszenarien beitragen als zu einer erfolgreichen Krisenbewältigung. Ein Beirat kann helfen, Auswirkungen richtig einzuschätzen und die Wahl der Mittel zu „sortieren“. Dabei mögen nachfolgende Überlegungen helfen.

Mit der Inanspruchnahme der Bundesmittel in Milliardenhöhe, ohne dass die Gewährung dieser Hilfen von sinnvollen Bedingungen, wie beispielsweise einem zukunftsweisendes Geschäftsmodell, einer Nachhaltigkeitsstrategie oder transparenter Businesspläne mit Ertragsprognose abhängig ist, führt bei den Unternehmen lediglich zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit, vermutlich bis zu dem Zeitpunkt der Fälligkeit erster Rückzahlungsraten. Mangels ausreichender Aktiva dürfte schon mit der Auszahlung der bundes- oder landesverbürgten Darlehen Überschuldung vorliegen, welche aber angesichts der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht unschädlich wäre. Aber: War es nicht gerade der Mangel an Aktiva, der die Insolvenzantragspflicht hat auslösen sollen, um noch Masse zur Befriedigung der Gläubiger vorzuhalten? Nun also wird auch noch „das letzte Hemd“ verspielt, bevor dann ein Insolvenzverwalter zu der Überzeugung kommen dürfte, dass bei der erdrückenden Schuldenlast keine hinreichende Quote zu erwarten und auch eine Veräußerung nicht ohne hohe Verzichte der öffentlichen Hand möglich ist.

Leider entpuppen sich die staat- und stattlichen Kredite der KfW oder der L-Bank als wenig zukunftweisende Auflagen. Ein generelles Ausschüttungsverbot von Dividenden, sowie eine Deckelung von Managementbezügen steht – im Verhältnis, zu dem für die notwendige Sanierung erforderlichen Engagement – geradezu im Widerspruch. Dass aus den Liquiditätshilfen keine Dividenden generiert werden dürfen, versteht sich von selbst. Was aber, wenn es Beteiligungs- oder Übernahmeperspektiven geben sollte, die dann sowohl an der Höhe der Fremdverbindlichkeiten als auch an der fehlenden Aussicht auf Dividende scheitern?

Während in guten Zeiten die Installation eines „Überwachungsgremiums“ (Aufsichtsrat, Beirat) zumeist (fälschlicherweise) für entbehrlich gehalten wird, erscheint die Erweiterung der Entscheidungskompetenz durch ein unabhängiges, sachkundiges und krisenerprobtes Instrument, wie das eines Beirats, in einer so verfahrenen Situation nicht nur sinnvoll, sondern auch geboten. Es ist nicht damit getan, die Unternehmensanwälte mit der juristischen Prüfung der Kreditverträge und den hauseigenen Wirtschaftsprüfer/Steuerberater mit der Begutachtung der bilanziellen Auswirkungen solcher Hilfspakete zu beauftragen. Vielmehr soll ein dem Unternehmen verbundener und an den Zielen der Unternehmenspolitik ausgerichteter Beirat die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, sowie die Konsequenz der Hilfen auf die Zukunft des Unternehmens gemeinsam mit dem Management unter allen denkbaren Gesichtspunkten durchleuchten und dann entscheiden. Dies hilft dem Management, bei der Abwägung aller infrage kommender Maßnahmen, wichtige Zeit zu gewinnen, statt in eine zwar auf den ersten Blick hilfreichen, am Ende aber existenzbedrohende Kreditgewährung zu geraten.

Beirat als Ratgeber

Sinn und Zweck des Gremiums sollte sein, die äußeren Einflüsse, wie Konjunktur, Marktumfeld und Stimmung der Branche aufzunehmen – Themen, für die ein in das Tagesgeschäft eingespanntes und von den Folgen der Pandemie ohnehin schwer betroffenes Management im Moment häufig zu wenig Zeit findet. Zusammen mit diesen Wahrnehmungen kann für das Unternehmen, die strategische Ausrichtung, Produktentwicklung, Standorte und Mitarbeiter ein Plan entstehen, um zu stabilisieren und für die Zeit nach der Pandemie fit zu machen.

Unter dem eingangs erwähnten neuen SanInsFoG wäre es auch hilfreich, das Gremium mit einem Restrukturierungsexperten zu besetzen. Denn das durch dieses Gesetz eingeführte neue Verfahren ist vom Schuldner, also dem kriselnden Unternehmen, zu führen. Deshalb bedarf es gewisser Kompetenz, die zumeist nicht vorgehalten werden. Um ein Sanierungskonzept erfolgreich umzusetzen, ist ein positiver Dialog mit Kreditgebern, Lieferanten und sonstigen Gläubigern, losgelöst von Emotionen der Unternehmensinhaber, notwendig. Hier scheint besondere Vorausschau und Eile geboten, um die „Annehmlichkeiten“ der neuen Gesetzesregelung zu empfangen. Dabei geht es um eine (jetzt bereits erkennbare) in zwei Jahren eintretende Zahlungsunfähigkeit – unschwer zu erraten, dass hier auf die Rückzahlung der Corona-Hilfen angespielt wird.

Strategische und finanztechnische Überlegungen dürfen nicht mehr aufgeschoben werden. Neben Investitionsaufwand und Liquiditätssicherung sind auch eine sorgfältige Planung und ggf. eine Prüfung des bisher erfolgreichen Geschäftsmodells notwendig. Dazu gehört auch ein intensiver Gedankenaustausch über mögliche Akquisitionen von Unternehmen, die einer Eigenentwicklung neuer Technologien oder der Selbstgewinnung einer Digitalisierungsexpertise vorzuziehen wären. Ein erfahrener Beirat kann einen solchen Dialog effektiv unterstützen. Und welcher Zeitpunkt, wenn nicht spätestens jetzt, soweit die aktuelle Ertragssituation noch auskömmlich ist, das bisherige Geschäftsmodell noch funktioniert und Reserven (z.B. nicht betriebsnotwendige Immobilien oder nicht zum Core-Business gehörende Aktivitäten) eingesetzt werden können, ist am geeignetsten? Aber auch wenn es „eng“ geworden ist, die Corona-Maßnahmen bereits zu größeren Einbußen geführt haben und die Existenzbedrohung immer wahrscheinlicher wird, kann ein unabhängiges Gremium Mut, Kraft und vor allem Zukunftsperspektiven vermitteln.

Innovation und Veränderungsbereitschaft sind dabei wichtigste Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Das gilt gerade in Krisensituationen, wenn alte Geschäftsmodelle wegbrechen oder nicht mehr erfolgversprechend sind. Ein erfahrener Beirat kann als Ratgeber bei der Ideensammlung und richtigen Priorisierung unterstützen.

Zusammensetzung des Gremiums

Wichtigste Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem solchen Beiratsgremium ist die jeweilige Kompetenz des Einzelmitglieds und die daraus folgende Gesamtkompetenz der Gruppe. Einzelne fachliche oder persönliche Expertise sollte sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen.

Es ist also ratsam, stets nur eine Persönlichkeit aus einem Fachgebiet auszuwählen, die auch über ausreichend Pragmatismus, ein gutes Judiz und die Fähigkeit der Antizipation unternehmerischer Vorgänge verfügen sollte. Wünschenswert wäre zudem diplomatisches Verhandlungsgeschick, Durchsetzungsvermögen, Akzeptanz bei Finanzpartnern – insbesondere Banken – und Überzeugungskraft. Unternehmer sind daher gut beraten, ihr Gremium auf das Vorhandensein dieser Eigenschaften zu prüfen (Evaluierung). Bei Neubildung sollte das Gremium mit höchstens fünf solcher Experten, besser sogar nur mit drei, besetzt werden. Beirat-BW e.V. kann beim Aufbau eines Beiratsgremiums und bei der Auswahl von passenden Persönlichkeiten unterstützen.

Vorausschau ohne Rückschau

Beirat und Aufsichtsrat sollen im besten Falle den Unternehmer nicht kontrollieren, sondern ihm vor allem neue Impulse liefern. Insbesondere Überlegungen zu strategischer Neuorientierung, einer Stärkung der Markt- und Wettbewerbsposition, z. B. durch neue oder andere Produkte und neue Preismodelle, fallen schwer, wenn das bisherige Businessmodell mit den eingeführten Produkten noch gut und erfolgreich funktioniert. Hier ein Überdenken anzuregen, kann anfangs schwierig, aber notwendig sein. Sodann werden Fragen nach dem Investitionsvolumen, der Finanzierbarkeit und der Belastbarkeit von Unternehmen und Mitarbeitern laut, die es abzuarbeiten gilt.

In schwierigen Unternehmensphasen werden oft auch Personalthemen sichtbar, die vielleicht bisher nicht zu Tage getreten sind. Ein neutraler Dritter kann hier unterstützen und unter Einbringung seines Netzwerks lösungsorientiert mitwirken.

Fazit

Stabiles Wachstum erfordert stabile interne Verhältnisse, die mitwachsen können und müssen. Allerdings heißt Managementkontinuität nicht, dass immer alles beim „Alten“ bleiben muss, weder in der Führung noch im Geschäftsmodell! Das gilt ganz besonders im Krisenfall. Gerade die Pandemie stellt Unternehmen vor besondere Herausforderungen. So gilt es, die Digitalisierung voranzutreiben, Arbeitsprozesse auf Home-Office umzustellen, neue Geschäftsmodelle, die auch online funktionieren, zu entwickeln, Standorte für stationären Handel aufzurüsten oder abzubauen, Produktionsaktivitäten zu verändern und das Unternehmen auch nach Wegfall staatlicher Hilfen überlebensfähig zu machen. So müssen sich Unternehmer, Gesellschafter und Management fragen, ob sie all diesen Aufgaben gewachsen sind. Teure externe Beratungsexpertise ist dafür nicht immer die nachhaltige Lösung. Die zunächst günstigere und dann langfristige Alternative wäre die Einrichtung eines Beirats, der dem Unternehmer enger und kontinuierlicher verbunden ist, als jeder Berater und daher auch ein großes Eigeninteresse an einem Gelingen der anzustoßenden Projekte hat.

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